Rückfall-Prävention: Den Virus-Schutz aktuell halten
Ein Rückfall ist keine Katastrophe, er ist eine Information. Die Kunst liegt darin, die Warnsignale zu erkennen, bevor es soweit kommt, und einen Plan zu haben, falls es doch passiert.
Rückfall verstehen
Die meisten Rückfälle beginnen lange vor dem ersten Konsum. Sie sind das Ende eines Prozesses, nicht der Anfang. Marlatt und Gordon haben diesen Prozess in den 1980er Jahren beschrieben. Ihre Erkenntnisse gelten bis heute.
Der typische Ablauf: Erst die emotionale Destabilisierung (Stress, Einsamkeit, Konflikte). Dann die kognitive Verzerrung („Ein Mal ist kein Mal"). Dann die Annäherung an die Substanz oder das Verhalten. Und schliesslich der Konsum selbst.
Frühe Warnsignale erkennen
- Vernachlässigung von Selbstfürsorge (Schlaf, Ernährung, Bewegung)
- Isolation und Rückzug von unterstützenden Kontakten
- Romantisierung des früheren Konsums („So schlimm war es nicht")
- Zunehmende Reizbarkeit und emotionale Schwankungen
- Heimliche Gedanken an „kontrolliertes" Konsumieren
- Vernachlässigung der Nachsorge (Termine, Gruppen)
- Aufsuchen alter Orte oder Kontakte
Die HALT-Regel
Ein einfaches, aber effektives Werkzeug: Wenn starkes Verlangen auftritt, prüfe zuerst:
- Hungry: Habe ich Hunger?
- Angry: Bin ich wütend?
- Lonely: Fühle ich mich einsam?
- Tired: Bin ich müde?
Diese vier Zustände machen uns besonders anfällig. Oft lässt das Verlangen nach, wenn wir den eigentlichen Bedarf stillen: essen, schlafen, Kontakt aufnehmen oder den Ärger adressieren.
Der Notfallplan
Jeder Mensch in Genesung sollte einen konkreten Notfallplan haben: schriftlich, griffbereit, im Voraus erstellt. Denn im Moment des Verlangens ist die Fähigkeit zu klarem Denken eingeschränkt.
Ein guter Plan enthält:
- Kontaktnummern: Mindestens drei Personen, die man anrufen kann, jederzeit
- Sofortmassnahmen: Was kann ich tun, um die nächsten 15 Minuten zu überstehen?
- Vermeidungsstrategien: Wie komme ich weg von der Gefährdungssituation?
- Erinnerungen: Warum bin ich diesen Weg gegangen? Was habe ich zu verlieren?
Die 15-Minuten-Regel: Intensives Verlangen hält selten länger als 15-20 Minuten an. Wenn du diese Zeit überstehst (ablenkend, in Bewegung, mit jemandem redend), sinkt die Intensität. Das Gehirn gibt auf, wenn der Trigger nicht zur Belohnung führt.
Nach einem Rückfall
Falls es doch passiert: Der grösste Fehler ist, aufzugeben. Ein Ausrutscher ist kein kompletter Rückfall, ausser man macht ihn dazu.
Sofortmassnahmen:
- Den Konsum sofort stoppen, nicht „jetzt ist es sowieso egal"
- Die Substanz/das Werkzeug entfernen oder verlassen
- Jemanden kontaktieren und ehrlich sein
- Analyse: Was hat zum Ausrutscher geführt?
- Den Plan anpassen: Welche Schwachstelle muss geschlossen werden?
Soforthilfe Basel
UPK Notfall: +41 61 325 51 00 (24h)
Suchtberatung Basel: +41 61 261 56 40
SafeZone.ch: Online-Beratung rund um die Uhr
Langfristige Stabilität
Rückfallprävention ist kein einmaliges Projekt, sondern eine dauerhafte Praxis. Das Suchtgedächtnis vergisst nicht, aber seine Macht über uns nimmt ab, je mehr alternative Muster wir etablieren.
Elemente einer langfristigen Strategie:
- Regelmässige Selbstreflexion: Wie geht es mir wirklich?
- Stabile Routinen und Strukturen
- Fortlaufende Unterstützung (Therapie, Gruppen, Mentoren)
- Sinnstiftende Aktivitäten und Ziele
- Gesunde Beziehungen und soziale Einbindung