Der Autopilot im Kopf
Du hast dir fest vorgenommen aufzuhören. Heute ist der Tag. Und dann, wie aus dem Nichts, greifst du wieder zu. Was ist passiert? Ein Blick auf den Konflikt zwischen bewusstem Willen und unbewusster Programmierung.
Zwei Systeme, ein Gehirn
Unser Gehirn operiert nicht als einheitliches Ganzes. Es besteht aus verschiedenen Systemen, die unterschiedlich alt sind, unterschiedlich schnell arbeiten und unterschiedliche Prioritäten haben.
Der präfrontale Cortex, die Stirnlappenrinde, ist evolutionär gesehen relativ jung. Er ist zuständig für Planung, rationale Entscheidungen, Impulskontrolle und langfristiges Denken. Hier sitzen deine guten Vorsätze.
Das limbische System hingegen ist uralt. Es verarbeitet Emotionen, steuert das Belohnungssystem und speichert automatisierte Verhaltensweisen. Hier sitzt das, was wir als „Autopilot" bezeichnen. Und hier ist auch die Sucht zu Hause.
Geschwindigkeit schlägt Vernunft
Der entscheidende Unterschied: Das limbische System ist schneller. Viel schneller. Während der präfrontale Cortex noch abwägt, hat das limbische System längst entschieden. Und gehandelt.
In der Evolution war das sinnvoll. Wenn ein Raubtier angreift, ist keine Zeit für rationale Analyse. Die schnelle, automatische Reaktion rettet Leben. Doch bei Sucht wird diese überlebenswichtige Geschwindigkeit zum Problem.
Das Suchtverhalten wird vom limbischen System als überlebenswichtig eingestuft, auf einer Ebene mit Nahrung, Wasser und Fortpflanzung. Gegen diesen biologischen Imperativ kämpft die Willenskraft an. Und verliert meist.
Warum Vorsätze scheitern
Wenn du dir vornimmst aufzuhören, ist das eine Entscheidung des präfrontalen Cortex. Diese Entscheidung ist real und ehrlich gemeint. Das Problem: Sie wird im limbischen System nicht gehört.
Das limbische System operiert nach anderen Regeln. Es reagiert auf Reize, auf Assoziationen, auf Körperempfindungen, nicht auf verbale Vorsätze. Der Geruch von Zigarettenrauch, die Stelle am Kühlschrank, wo das Bier steht, das Gefühl von Stress nach einem schwierigen Meeting: all das aktiviert den Autopiloten, bevor das bewusste Denken überhaupt einsetzen kann.
Die Illusion der Kontrolle
Studien zeigen, dass unser Gehirn Entscheidungen trifft, bevor wir uns ihrer bewusst werden. Das bewusste „Ich will" oder „Ich will nicht" kommt oft erst, nachdem das Unterbewusstsein bereits gehandelt hat. Und dient dann eher der nachträglichen Rationalisierung als der tatsächlichen Steuerung.
Das bedeutet nicht, dass Willenskraft nutzlos ist. Aber sie ist nur ein Teil der Gleichung, und oft nicht der entscheidende. Wer nur auf Willenskraft setzt, kämpft mit einem Arm auf dem Rücken gebunden.
Was daraus folgt
Effektive Suchtbehandlung muss dort ansetzen, wo das Problem liegt: im unwillkürlichen Nervensystem. Das bedeutet nicht, dass rationale Einsicht unwichtig ist, aber sie reicht nicht aus.
Methoden, die direkt mit dem Unterbewusstsein arbeiten, wie bestimmte therapeutische Verfahren, können konditionierte Reaktionen modifizieren und neue Muster etablieren. Sie sprechen die Sprache des limbischen Systems, statt nur an den präfrontalen Cortex zu appellieren.