Zucker & Dopamin: Die unterschätzte Droge

Zucker aktiviert dieselben Hirnareale wie Kokain. Doch während wir Drogenabhängige in Therapie schicken, gilt Schokolade nach dem Mittagessen als harmlose Gewohnheit. Zeit, genauer hinzuschauen.

Das Gehirn auf Zucker

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung zeigte: Dopamin wird unmittelbar nach dem Essen von Zucker freigesetzt, noch bevor die Nahrung den Magen erreicht. Der süsse Geschmack allein reicht aus, um das Belohnungssystem zu aktivieren.

Das ist evolutionär sinnvoll. In einer Welt der Nahrungsknappheit signalisierte Süsse: „Hier sind Kalorien, hier ist Energie, iss so viel du kannst." Unser Gehirn ist darauf programmiert, auf Süsses mit Verlangen zu reagieren.

Das Problem: In der modernen Welt ist Zucker überall. Und die Nahrungsmittelindustrie weiss genau, wie sie unsere evolutionären Schwachstellen ausnutzen kann.

Sucht oder nur Gewohnheit?

Die Wissenschaft ist sich noch nicht einig, ob „Zuckersucht" eine echte Diagnose ist. Was feststeht:

Ob man das „Sucht" nennt oder nicht: Die Mechanismen ähneln sich. Und sie erklären, warum Diäten so oft scheitern.

Eine Studie zeigte: Probanden, die acht Wochen lang täglich einen zuckerreichen Pudding assen, reagierten danach stärker auf zuckerhaltige Lebensmittel. Das Belohnungssystem war „trainiert" worden, mehr Zucker zu verlangen, nicht weniger.

Emotionales Essen: Wenn Nahrung zur Selbstmedikation wird

Für viele Menschen ist Essen mehr als Nahrungsaufnahme. Es ist Trost, Belohnung, Flucht vor unangenehmen Gefühlen. Der Griff zur Schokolade nach einem stressigen Tag folgt denselben Mustern wie der Griff zur Zigarette oder zum Glas Wein.

Das Problem: Essen lindert den Stress nur kurzfristig. Die zugrunde liegenden Gefühle bleiben. Und das Gehirn lernt: „Wenn es mir schlecht geht, hilft Essen." Ein klassischer Konditionierungskreislauf.

Wer aus diesem Kreislauf ausbrechen will, muss an den Wurzeln ansetzen, nicht am Verhalten selbst, sondern an den emotionalen Mustern dahinter. Die Auflösung emotionaler Essmuster erfordert Arbeit mit dem Unterbewusstsein, nicht nur Ernährungspläne und Kalorienzählen.

Die Rolle des Darm-Mikrobioms

Neuere Forschung zeigt: Unser Darmmikrobiom beeinflusst unser Essverhalten stärker als gedacht. Bestimmte Bakterien „lieben" Zucker und senden Signale ans Gehirn, um Nachschub zu fordern. Je mehr Zucker wir essen, desto mehr dieser Bakterien siedeln sich an, und desto stärker das Verlangen.

Das erklärt, warum die ersten Wochen einer zuckerarmen Ernährung so schwer sind, und warum es danach oft leichter wird. Das Mikrobiom passt sich an.

Was hilft wirklich?

Willenskraft und Ernährungswissen reichen selten aus. Wer sein Essverhalten nachhaltig ändern will, braucht einen Ansatz, der verschiedene Ebenen adressiert:

Diäten scheitern, weil sie nur die Oberfläche adressieren. Nachhaltige Veränderung erfordert tiefere Arbeit, aber sie ist möglich.